Die Individualbeschwerde stärkt Kinderrechte in der Schweiz

Fr., 20.11.2015 - 09:20

“Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie Ungerechtigkeit.” – Charles Dickens

Heute, am 20. November 2015, ist internationaler Tag der Kinderrechte. Dies ist nicht nur der Jahrestag, an dem der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention 1989 gedenkt wird, sondern auch ein politischer Tag, welcher die Rechte von Kindern in das öffentliche Bewusstsein rückt. Wir nehmen ihn deshalb zum Anlass, um auf eine wichtige bevorstehende Entscheidung zu Kinderrechten in der Schweiz aufmerksam zu machen.

Das Parlament will die Rechte von Kindern stärken und hat den Bundesrat damit beauftragt, die Ratifizierung des dritten Fakultativprotokolls zur Kinderrechtskonvention zu prüfen. Inhaltlich geht es dabei um die Einführung der Individualbeschwerde. Der Bundesrat äusserte sich grundsätzlich positiv dazu und führte eine Vernehmlassung bei den Kantonen und Organisationen der Zivilgesellschaft durch. In den nächsten Monaten wird der Bundesrat seine Botschaft an das Parlament abgeben. Das Individualbeschwerderecht stellt einen wichtigen Schritt zur vollständigen Umsetzung der Kinderrechte in der Schweiz dar. Kinderanwaltschaft Schweiz befürwortet den Schritt in aller Deutlichkeit und hat beim Vernehmlassungsverfahren des Bundes dazu Stellung genommen.   

Weshalb ist die Individualbeschwerde für Kinder und Jugendliche in der Schweiz wichtig?

  • Kinder und ihre Vertreter/innen in der Schweiz erhalten die Möglichkeit, nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsinstanzen, die Verletzung ihrer Rechte selbstständig und direkt dem UN-Kinderrechtsausschuss geltend machen zu können. Bei nahezu allen anderen Menschenrechtsabkommen auf UN-Ebene ist bereits eine Individualbeschwerde möglich. Dies muss auch für die Kinderrechtskonvention gelten, denn nur so werden Kinder als eigenständige Rechtsträger anerkannt.

  • Die Bedeutung der UN-Kinderrechtskonvention wird in der Praxis gestärkt.

  • Die Ratifizierung ist eine klare Stellungnahme sowie ein starkes Signal der Schweiz, dass sie die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention vollständig und systematisch vollziehen will.

Der Entscheid des Parlaments wird 2016 erwartet – wir werden über die weiteren Entwicklungen berichten.

Politische Signalwirkung muss von innerstaatlichen Massnahmen getragen werden

Mit der Ratifizierung des dritten Fakultativprotokolls allein ist die Arbeit jedoch noch nicht vollbracht. Es ist zu befürchten, dass Kinder und Jugendliche nach oftmals langwierigen innerstaatlichen Rechtsverfahren davon zurückschrecken, auch noch den internationalen Weg der Individualbeschwerde zu gehen. Es ist daher wahrscheinlich, dass der Ratifizierung primär politische Signalwirkung zukommt. Umso wichtiger wird die Umsetzung von innerstaatlichen Massnahmen sein, die das Bedürfnis nach Individualbeschwerden an den UN-Kinderrechtsausschuss überflüssig machen. Es muss das Ziel sein, dass die Rechte der UN-Kinderrechtskonvention in allen Bereichen, in denen Kinder mitgerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren in Kontakt kommen, umgesetzt sind und eingehalten werden.

Die Schweiz benötigt dringend ein eigenes Ombuds-Office für Kinder

Kinderanwaltschaft Schweiz ist der Überzeugung, dass die Schweiz für das Erreichen dieser Ziele dringend die Errichtung eines gesamtschweizerischen Überwachungs- und Beschwerdemechanismus für Kinderrechte in Form eines Ombuds-Office benötigt. Der UN-Kinderrechtsausschuss empfahl der Schweiz bereits im Jahr 2002 deutlich, eine solche Institution zu schaffen und wiederholte diese Empfehlung in den neusten Schlussbemerkungen zum Staatenbericht im Februar 2015.

Ein Ombuds-Office sorgt dafür, dass Kinder in allen sie betreffenden Verfahren niedrigschwelligen Zugang zu Beschwerdeverfahren sowie zu unentgeltlicher Rechtsvertretung haben. Um das Ziel einer kindgerechten Justiz zu erreichen, fordert Kinderanwaltschaft Schweiz zudem, dass gemäss den Child-friendly Justice Leitlinien:

  • Alle Fachpersonen, die mit und für Kinder arbeiten, entsprechend geschult und weitergebildet werden müssen.

  • Sämtliche Verfahren, die Kinder direkt oder indirekt betreffen, nicht unangemessen verzögert werden dürfen.

  • Das Recht auf Anhörung und Meinungsäusserung für Kinder vollumfängllich umgesetzt ist.

  • Sowohl die innerstaatlichen Beschwerdemechanismen als auch die Individualbeschwerde kindgerecht bekannt gemacht werden.

Kinderanwaltschaft Schweiz ist überzeugt, dass die geforderten Massnahmen zwingend sind, um das Ziel einer kindgerechten Justiz zu erreichen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen engagierten Tag der Kinderrechte.

Herzliche Grüsse

Kinderanwaltschaft Schweiz