Wirkungsvolle Partizipation setzt aktive Grundhaltung voraus

Di., 30.08.2016 - 13:07

Partizipation ist Beteiligung, Mitbestimmung und Mitwirken. In der Schweiz hat die Partizipation im politischen Sinne eine lange Geschichte und es ist für uns selbstverständlich, den Werdegang unseres Landes in erheblichem Masse mitgestalten zu dürfen und zu können.

Zwar sind Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr noch nicht zur Teilnahme am politischen Prozess berechtigt, doch auch sie verfügen bereits über Partizipations-Möglichkeiten und -Rechte. Dass ihnen diese durchaus wichtig sind, dokumentiert eine Studie der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) im vergangenen Jahr zum Thema “Was Jugendliche politisch und gesellschaftlich bewegt”. Die Ergebnisse zeigen, dass junge Menschen das Bedürfnis haben mitzureden und aktiv mitzugestalten – sowohl in Bezug auf das eigene Dasein, als auch auf die Gesellschaft, in der sie leben. Partizipation ist zudem einer der Grundpfeiler für ein kindgerechtes Rechtssystem – diesbezüglich besteht aber noch grosser Handlungsbedarf.

Bereitschaft gross – Umsetzung harzig

Seit die Schweiz 1997 die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) ratifizierte und der Europarat 2010 mit den “Leitlinien für eine kindgerechte Justiz” die Standards in Europa setzte, vollzieht sich in der Schweiz ein Paradigmenwechsel: Das Kind wird in gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren nicht länger als Objekt betrachtet, sondern als Subjekt, dem die Kinderrechte (als Teil der universellen Menschenrechte) zustehen.

Das Recht auf Gehör und Meinungsäusserung stellt hierbei ein wichtiges Partizipations-Recht dar, welches vermehrt Anwendung findet, jedoch noch in ungenügendem Masse und noch nicht in der richtigen Form. So werden beispielsweise in Scheidungsfällen nur 10 Prozent der Kinder von einem Richter angehört, und selbst diese Anhörungen entsprechen oft nicht den Bedürfnissen der Kinder.

Der Grund dafür ist meist nicht mangelnder Wille, sondern vielmehr Unwissenheit darüber, wie Partizipation altersgerecht zu gewähren ist. Wir beobachten, dass ein Kind zwar angehört wird, jedoch nicht unter den richtigen Voraussetzungen. Von “aussen” betrachtet hat dann jeweils eine Partizipation stattgefunden, da dem Kind die Möglichkeit gegeben wurde, Stellung zu nehmen. Von “innen” betrachtet können dabei jedoch unter Umständen diverse Bedingungen nicht gepasst haben – beispielsweise wurde das Kind nicht altersgerecht informiert und befragt, da die Gesprächsführung nicht von ausgebildeten Fachpersonen durchgeführt wurde. Oder die Möglichkeit einer begleitenden Rechtsvertretung hat nicht bestanden oder die Anhörung hat nicht in einer kindgerechten Umgebung stattgefunden. In solchen Fällen waren die äusseren Erfordernisse für Partizipation zwar erfüllt, die spezifischen Bedingungen, damit Kinder partizipieren können, jedoch nicht.

Partizipation ist ein permanenter Austausch zwischen Kindern und Erwachsenen

Wirkungsvolle Partizipation braucht den Einbezug von Kindern – nicht bloss bei punktuellen Handlungen, sondern als integraler, von Offenheit, Transparenz und echter Begleitung geprägter Prozess des permanenten Austausches zwischen Kindern und Erwachsenen. Diese Haltung ist zwingende Voraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum wahrnehmen und durch ihre Mitbestimmung die für ihren weiteren Lebensweg so wertvolle Selbstwirksamkeit erfahren können.

Partizipations-Fähigkeit ist keine angeborene Fähigkeit, ihre Entwicklung muss aktiv begleitet werden. Kinder brauchen Unterstützung beim Zugang zu den Informationen, die ihnen eine Entscheidung erst ermöglichen. Um die bestehenden Lücken bei der Umsetzung wirkungsvoller Partizipation von Kindern in der Praxis zu schliessen, plädiert Kinderanwaltschaft Schweiz für Fort- und Weiterbildungen aller Fachpersonen, die mit Kindern und Jugendlichen beruflich Kontakt haben.

Ganz im Sinne der politischen Partizipation in der Schweiz sollen auch Kinder und Jugendliche das Recht haben, bei jenen Entscheidungen, die ihr Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, mitzuwirken. So können gemeinsam nachhaltige Lösungen gefunden werden. Das Erfahren von echter Partizipation und Selbstwirksamkeit stärkt Kinder und Jugendliche in ihrer Resilienz. Es lehrt sie, dass Engagement etwas bewegen kann – eine Erfahrung, welche sie später als Erwachsene wiederum in die Gesellschaft einbringen können.

Das Thema Partizipation wird uns weiterhin beschäftigen. Abonnieren Sie hier unseren Newsletter und erhalten Sie immer die aktuellsten Informationen.